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Eiskunstlauf Weltmeisterin in Tokio 1985

Einen Monat nach der Europameisterschaft in Göteborg, nehme ich im Alter von neunzehn Jahren an der Weltmeisterschaft in Tokio teil, bei der ich meinen Titel der Weltmeisterin im Eiskunstlauf aus dem Vorjahr verteidigen kann.

Konkurrenzen und Titel

Es ist in der Regel immer leichter, einen Titel das erste Mal zu gewinnen, ihn zu behalten und zu verteidigen, ist im Vergleich immer viel schwerer, da der Druck weitaus größer ist und auch die Konkurrenz natürlich hungrig bleibt. Aber ich habe eine große Stärke: Mich spornt Druck vielmehr an, als dass er mich aus bremst.

Nach einem Olympia Jahr hören viele Stars auf und wechseln ins Profilager, um bei Shows und großen Tourneen dem Wettkampfstress abzuschwören und ja, in der damaligen Zeit, um endlich richtig Geld verdienen zu können. So wechselte eine meiner größten Konkurrentinnen der letzten Jahre, Rosalynn Sumners, ins Profigeschäft. Viele Jahre später werden wir gute Freundinnen und touren gemeinsam durch die Welt und eines Tages werde ich sie für die Märchenproduktion “Die Eisprinzessin” als meine böse Stiefschwester engagieren und auch für zahllose Show Produktionen, die ich später selbst organisiere. Aber von dieser Entwicklung wissen wir beide noch nichts.
Dafür tritt die US-amerikanische Eiskunstläuferin Debi Thomas bei der Weltmeisterschaft in Tokio auf die Bildfläche. Sie wird nach den Olympischen Spielen im letzten Jahr von nun an bis 1988 meine stärkste Konkurrentin. Wir werden uns in den folgenden Jahren die spannendsten Duelle liefern und uns nichts schenken.

So viele Plüschtiere

Die vorangegangene Europameisterschaft hatte mir mal wieder die Augen geöffnet, dass der Titel auch von den anderen Läuferinnen heiß begehrt ist und es keine Selbstverständlichkeit ist, sich als amtierende Meisterin den Neuen einfach abzuholen. Ich hatte tatsächlich ein wenig Glück bei dem Gewinn des Europameistertitels, aber darauf kann und sollte man sich nie verlassen. Also nutze ich die Zeit zwischen den Meisterschaften und stelle mal wieder fest, wenn ich mich nur richtig konsequent konzentriere, schaffe ich unglaublich viel in kürzester Zeit.

Zum Glück habe ich sehr viele Fans in Japan, da ich schon oft bei der NHK-Trophy einem allgemein begehrten Vorbereitungswettkampf für die Saison teilnahm. Nach der Pflicht liege ich auf dem dritten Rang, womit ich äußerst zufrieden bin. Diese Disziplin ist immer Kira Iwanowa´s, aus der damaligen UdSSR, große Stärke und bekommt da immer hohe Noten von denen ich nur träumen kann. Aber ich weiß um die Meine in den Kür Disziplinen. Kira habe ich über all die Jahre als eine wunderschöne Kunstläuferin bewundert und im Training auch oft über sie gestaunt. Aber mit den Jahren lerne ich, dass sie keine nervenstarke Läuferin ist und im Wettkampf leider ihr ganzes hervorragendes Potential nur selten zeigt. Tiffany Chin aus den USA liegt an zweiter Stelle, aber da mache ich mir keine Sorgen.
Mein Kurzprogramm hätte nicht besser sein können. Der amerikanischen Presse erzähle ich danach: “Letztes Jahr im Kurzprogramm (Ungarisch) musste ich die ganze Zeit Lächeln, dieses Jahr kein Lächeln. Es ist mir so schwer gefallen. So ein seriöses Programm.” Tja spanisch und feurig, da dürfen nur die Augen funkeln. Auch wenn ich bei jedem geglücktem Element schier vor Freude ausgeflippt bin, darf ich es hier nicht zeigen. Da fing wahrscheinlich für mich die Schauspielerei an.
Ich gewinne diese Disziplin und liege insgesamt immer noch an dritter Stelle und mache mir weiterhin keine Sorgen. Jetzt muss ich ja nur noch die Kür gewinnen. Ich stelle immer wieder fest, dass es mir lieber ist vor der Kür nicht an erster Stelle zu stehen, das macht einen zu sicher. Das Feld von hinten aufzuräumen liegt mir und meiner Mentalität viel mehr.
Das Kürprogramm läuft echt super und fehlerfrei. Ich springe 4 Dreifachsprünge. Es ist bis dahin die beste Kür meines Eislauf Lebens. Auf alle Fälle grinse ich im Anschluss bei der Benotung in der “Kiss & Cry” Ecke mit Frau Müller um die Wette und gewinne meinen zweiten Weltmeistertitel. Yippie!

Debi Thomas, die als erste farbige Läuferin an einer Weltmeisterschaft teilnimmt, wird bei ihrem WM-Debüt am Ende fünfte und zeigt schon jetzt ihre Sprungstärke.

Ich nehme nicht nur meine Goldmedaille mit nach Hause, sondern noch einen wunderschönen Kimono, Erinnerungen an ein verwirrend geschecktes Eis und endlos viele lustige und knuffige Plüschtiere, die die Japaner zu Unmengen auf´s Eis warfen. Ein paar davon habe ich aufbewahrt und ich denke gerne an dieses außergewöhnliche Land und diese Zeit zurück.

Copyright Katarina Witt