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Happy and Sad
28.02.2010
Ich bin nun seit 3 Wochen hier in Vancouver. Es wird mein 20. Tagebucheintrag und mein Computer ist gefüllt mit unzähligen Erinnerungsfotos. Zwei Koffer habe ich heute schon nach Hause geschickt und zwei stehen noch hier. Ich gebe zu, typisch Frau! Konnte mich nicht entscheiden. Packte zu Hause den ganzen Kleiderschrank ein habe hier natürlich “nie” was zum anziehen und trug die Hälfte überhaupt nicht.
Noch höre ich die Hubschrauber vom Hotelzimmer aus über mir kreisen und die Freudenfanfaren und Jubelgesänge auf der Strasse scheinen kein Ende nehmen zu wollen.
Kanada liegt heute im Medaillenspiegel an erster Stelle und die kanadischen Männer haben das Olympia-Eishockey-Traum-Finale gegen die USA perfekt gemacht. Maria Riesch befindet sich im Ski-Olymp und ich schaute mir das rasante Short Track Finale gemeinsam mit Dr. Thomas Bach erstmals aus der Nähe an.
14 Tage lang ist Vancouver der Mittelpunkt in den Medien. Wir alle sind wie ein “Wirbelwind” in diese Stadt geweht und haben sie für uns in Beschlag genommen, für 14 Tage unsere reale Welt ausgeblendet und uns ins Abenteuer Olympische Spiele gemeinsam mit den Sportlern, freiwilligen Helfern, Funktionären und Gästen gestürzt. Für die meisten von uns werden es unvergessliche Tage mit einprägsamen Erinnerungen und für hoffentlich nur wenige Einheimische bleibt es ein ständig rennender Alptraum an der Uferpromenade.
Ein Teil der restlichen Welt hat für 14 Tage die “Luft angehalten” und nach Vancouver geschaut, hat mit ihren Sportlern gezittert, gefiebert, sich lautstark gefreut, geweint und gelitten.
Ab Montag beginnt für die kommenden 4 Jahre die nächste Olympiade.
Für einige beginnt wieder die Normalität des Alltages, die Realität des überfüllten Schreibtisches kann man nicht mehr mit dem Umdrehen des Wohnungsschlüssels hinter sich lassen und für die Mehrzahl der Athleten wird das Leben nie mehr so sein wie vor den Olympischen Spielen.
Viele meiner Kollegen können endlich ihre Kinder wieder sehen und ihre Liebsten in den Arm nehmen. Andere werden sich um die Frostschäden an ihrem Dach kümmern müssen oder sich die Muskelkaterbeschwerden der Tänzer ihrer Tanzproduktion anhören.
Die südkoreanische Olympiasiegerin Kim Yu-Na wird vielleicht das neue Bond Girl werden? Ihr Trainer Brian Orser fliegt für 12 Stunden nach Korea und anschließend zur Junioren Weltmeisterschaft. Die Jüngeren sind schon in den Startlöchern und träumen vom Olympischen Gold in Sotschi 2014, wofür allerdings noch die Gebäude fertig gestellt werden müssen.
Joannnie Rochette hat bei ihrem couragierten Auftritt die Unterstützung ihres gesamten Landes sowie die Anteilnahme von Zuschauern aus der ganzen Welt zu spüren bekommen. Sie wird von ihrer Familie und Freunden beschützt werden und doch werden Trauer und Leere sie wie ein Nebel umhüllen. Der Moment ihres Gewinns der Bronzemedaille wird sie immer an den schmerzhaftesten Verlust in ihrem Leben erinnern.
Die kanadische Hockey-Mannschaft wird vielleicht endlich als ewige Helden in den Geschichtsbüchern stehen oder das gesamte Land in einen kollektiven “Buuhh”-Schrei ausbrechen.
München liegt für 2018 auf der Lauer und in Vancouver wird es weiter regnen. Die Olympia.ARD-Webseite wird bald gelöscht, doch bleiben die Erinnerungen ein Leben lang im Kopf und im Herzen. Die Fotos sind ja zum Glück noch im Computer.
Die Olympischen Spiele sind für viele etwas Einmaliges. Doch diejenigen, die diese Einmaligkeit erlebt haben, wollen immer wieder dabei sein.
Ich möchte jetzt eine Woche einfach nur schlafen. Vielleicht kann ich ja so tun als gäbe es den Schreibtisch nicht.
Manche Dinge werden sich nie ändern!
Herzliche Grüße aus Vancouver
Katarina